Postmaster-Magazin, Juli/August 2010. Die Zukunft des Briefs

Veröffentlicht am 02.08.2010

Interview mit dem Vorstand von Francotyp-Postalia, Andreas Drechsler

POSTMASTER: Herr Drechsler, was sind Ihrer Beobachtung nach die Entwicklungen, die den Briefmarkt zur Zeit am stärksten beeinflussen?

Andreas Drechsler: Wichtigen Einfluss auf den Briefmarkt nimmt natürlich die zunehmende Liberalisierung. Alte Monopolstrukturen beginnen, sich aufzulösen. Im deutschen Markt beobachten wir in diesem Zusammenhang eine Verlagerung der Briefvolumina: Briefe, die früher ausschließlich über die Deutsche Post AG versandt wurden, gehen nun auch an alternative Zusteller. Darüber hinaus gibt es Projekte wie die Einführung der De-Mail, in dessen Rahmen in Deutschland die rechtssichere eMail etabliert werden soll. De-Mail entstand aus einer Initiative der Europäischen Union, die die Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden vereinfachen will. Das Briefvolumen insgesamt bleibt nahezu stabil. Es geht nur nicht mehr durch bloß eine Hand. Erwähnen sollte man außerdem einen dritten Aspekt: die Globalisierung und wachsende Industrialisierung von Schwellenländern. Damit entstehen neue Märkte - und große Potenziale auch für den Postmarkt.

POSTMASTER: Hat der Brief also doch eine Zukunft?

Drechsler: Kurz gesagt: ja! Seit Jahren werden weltweit konstant zwischen 350 und 400 Milliarden Briefe pro Jahr verschickt - ausschließlich bezogen auf die Geschäftspost. Die Schwankungen im Volumen sind dabei wirtschaftlich bedingt. Was wir dagegen nicht sehen, ist die massive Verdrängung des klassischen Briefs durch die eMail. Das liegt unter anderem daran, dass die eMail in puncto Sicherheit - zum Beispiel bezogen auf Rechtssicherheit - noch nicht mit dem Brief mithalten kann. Die Entwicklung des sicheren E-Briefs beobachten wir genau. Wir haben mit unseren Softwarelösungen, den sogenannten Hybrid-Mail- Produkten oder Produkten zur digitalen Briefverarbeitung, diesen Trend bereits antizipiert.

POSTMASTER: Bleibt dann alles beim Alten oder wird es Veränderungen geben?

Drechsler: Wenn wir uns den USamerikanischen Markt - den größten Briefmarkt weltweit - anschauen, erkennen wir drei wesentliche Trends. Erstens: Unternehmen, die hohe Volumina verarbeiten, sprich mehr als 2000 Briefe täglich, wechseln von Frankiermaschinen zu alternativen Postverarbeitungslösungen wie etwa der digitalen Briefverarbeitung. Zweitens: Für die geringeren Mengen an Briefen nutzen Unternehmen verstärkt kleine bis mittlere Frankiermaschinen. Und drittens: Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Servicedienstleistungen rund um die Briefverarbeitung, die die Effizienz der Postverarbeitungsprozesse erhöhen. Mit der Integration des Konsolidierers freesort und der iab, die Softwarelösungen für den digitalen Briefversand anbietet, in die FP-Gruppe haben wir uns dafür frühzeitig gut aufgestellt. Bisher hat das Geschäft mit Softwareapplikationen und Konsolidierungsleistungen einen Anteil von rund zehn Prozent am Gesamtumsatz. Mittelfristig sehen wir in diesem Bereich aber zweistellige Wachstumsraten, im Vergleich zum traditionellen Geschäft mit den Frankier- und Kuvertiermaschinen, bei dem wir ein Wachstum von drei bis fünf Prozent erwarten.

POSTMASTER: Wie schätzen Sie die Zukunft des sicheren elektronischen Briefs ein - wird die iab als Mail(-Box-)Provider aktiv?

Drechsler: Lassen Sie mich kurz erläutern: FP iab - als führender Dienstleister für elektronische Print-, Brief- und Postkommunikation - produziert aus physischen Briefen digitale und umgekehrt. Ende 2006 haben wir das expandierende Unternehmen in die renommierte Francotyp- Postalia-Gruppe integriert. Multichannel-Versand, also Brief, Fax und eMail, ist für uns kein Neuland und wird seit Jahren angeboten, weitere Kommunikationswege werden integriert. Mit unserem Produkt Webpost - der maßgeschneiderten Softwarelösung für Kunden mit kleinem Briefvolumen - sind wir jetzt auch international unterwegs und sehen Möglichkeiten das Produkt auch in Indien und den USA einzuführen. Das birgt Potenziale.

POSTMASTER: Stichwort Transpromo: Welche Angebote der vollfarbigen 1:1-Kommunikation gibt es oder wird es mit und in der FP-Gruppe geben?

Drechsler: Vollfarbdruck bieten wir seit Jahren für unsere Kunden an. Dabei sind wir mit unserem Know-how insbesondere in der Lage, bei der Generierung von zusätzlichem Nutzen im Dokumentenversand zu unterstützen, zum Beispiel in Sachen Transpromo, Portooptimierung oder Shared Space bei der Cross-Customer-Vermarktung. Ein klassischer Lettershop werden wir deshalb trotzdem nicht, der Fokus liegt weiterhin klar auf der kundenorientierten und optimierten Aufbereitung von hochwertigen Transaktionsdokumenten.

POSTMASTER: Im Zuge der neuen Umsatzsteuerregelungen für Briefdienste bahnt sich ein Preiskrieg im Sommer/ Herbst 2010 an. Welche Auswirkungen hat das auf die Kunden und insbesondere auf den Teil, die mit professionellen Konsolidierern wie freesort zusammenarbeiten?

Drechsler: Der Preiskrieg ist bereits ausgebrochen. Dem Kunden werden äußerst attraktive Konditionen angeboten, Anbieter im Bereich der Konsolidierung müssen aber die enormen Investitionen im Bereich der Umstellung und Anpassung bezüglich der Mehrwertsteuer- Thematik berücksichtigen. Da müssen zum Beispiel die AGBs und bestehenden Kundenverträge angepasst werden, und auch die Anpassung der Abrechnungssoftware an die neuen Vorgaben verursacht hohe Kosten. Alle Kunden der freesort haben wir sehr frühzeitig angeschrieben und sie auf die neuen Teilleistungsrabatte, auf die Mehrwertsteuer-Thematik und deren Auswirkungen hingewiesen. Bis Mitte Juni hatten wir außerdem allen Kunden ihre neuen Rabatte mitgeteilt. Somit wusste jeder freesort-Kunde, welche neuen Rabatte er ab dem 1. Juli 2010 erhält.

POSTMASTER: Gibt es Änderungen im freesort-Geschäftmodell, zum Beispiel eine engere Zusammenarbeit mit den neuen Netzwerken P2 und Mail Alliance?

Drechsler: Das Geschäftsmodell der freesort war schon in der Vergangenheit nicht nur auf die Konsolidierung ausgelegt. Kunden haben inzwischen im liberalisierten Postmarkt die Möglichkeit, ihre Postverarbeitung nicht nur in der Erstellung von Briefen, sondern auch in der Einlieferung bei Zustellern effizienter zu gestalten. Je nach Kundenwunsch liefert freesort die eingesammelte Post auch bei alternativen Zustelldienstleistern ein. Dies ist ein echter Mehrwert. Hier kann der Kunde entscheiden, welches Zustellunternehmen die freesort für die Zustellung seiner Sendungen beauftragen soll. Aufgrund der neuen Teilleistungsrabatte haben sich auch die privaten Briefzustelldienste neu aufgestellt und uns attraktive Stückpreise pro Briefprodukt übermittelt. Wir halten an dem von uns erfolgreich eingeschlagenen Weg im Bereich der Zustellpartner fest und bauen deren Anzahl kontinuierlich aus.

POSTMASTER: Manche Kunden haben den Eindruck, in der klassischen Postverarbeitungstechnik - Kuvertieren, Frankieren, Öffnen - seien alle Erfindungen bereits gemacht. Stimmt das, oder sind neue Ideen aus Birkenwerder zu erwarten?

Drechsler: Auch in der klassischen Postverarbeitungstechnik gibt es noch Luft nach oben: Durch neue Features in der Bedienung und eine hohe Integrationsfähigkeit wird aus der Frankiermaschine mit Software eine Software mit Frankiermaschine. Wir planen zum Ende des nächsten Jahres das neue Frankiermaschinensystem in den Markt einzuführen.

POSTMASTER: Herr Drechsler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.