Menschen bei FP

Im September flossen die Tränen und man hörte die Gläser klirren. Angestoßen wurde auf und mit Ralf Kubatzki. Er ist ein langjähriges FP Urgestein und man kennt ihn unter dem Namen „Der Mann der Patente“. Allein in der Zeit seiner Unternehmenszugehörigkeit erwirkte er insgesamt über 100 Patente für FP als Bearbeiter und sogar 24 eigene Patente als Erfinder, sowohl national als auch international. FP verabschiedet sich mit einem lachenden und einem weinenden Augen von Ralf Kubatzki, wir freuen uns, dass er sehr viele Jahre an Bord der FP Mannschaft war, bedanken uns für sein fachliches und stets humorvolles Engagement im Kollegium und wünschen ihm alles Gute für seine Zukunft.


Anmerkung der Redaktion: Das Interview mit Ralf Kubatzki wurde bereits im Herbst 2018 geführt. Nach 26 Jahre als FP Patent Assessor scheidet Ralf Kubatzki nun Ende 2019 endgültig aus dem Unternehmen aus. Seine Nachfolge übernimmt Jan Schrick, unser erfahrener Patentingenieur und Syndikus-Rechtsanwalt, der mit Ralf Kubatzki bereits lange zusammengearbeitet hat und daher bestens mit allen FP Patentbelangen und Abläufen vertraut ist.

Den Erfindern auf den Fersen

Ralf Kubatzki über seinen Alltag als Patentassessor bei FP, über Ideenberge und schöpferische Diskussionen

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Ralf Kubatzki -  Patentassessor bei FP

Herr Kubatzki, man hat gesagt, Sie wüssten alles. Stimmt das?

Ich tue so, als ob ich alles wüsste. Das ist berufsbedingt. Im Rahmen von Prüfungsverfahren muss ich als Patentassessor von FP gelegentlich zu einer mündlichen Anhörung und dort bis zu drei Prüfern Rede und Antwort stehen. Da muss man schon sattelfest sein und mit felsenfester Überzeugung auftreten, auch wenn man im Detail vielleicht selbst gar nicht so viel Ahnung hat. Ist dasselbe wie bei Bewerbungsgesprächen. Man darf ein bisschen pokern.


Also ist pokern Ihr bester Trick?

Ja. Mehr kann ich eigentlich nicht.


Es scheint aber ganz gut zu funktionieren, offenbar kommen Sie damit seit vielen Jahren durch. Aber was machen Sie denn eigentlich nun so ganz genau?

Wo fange ich an? Am besten im frühen Mittelalter. Da wurden von den Fürsten in Italien an berühmte Erfinder Rechte vergeben, ein bestimmtes Produkt eine Zeit lang bauen und vertreiben zu dürfen, ohne dass ein anderer das darf. Der Gewinn daraus konnte einbehalten werden. Daraus hat sich das Patentwesen entwickelt, zuerst im 18. Jahrhundert in England, in den USA ebenfalls sehr früh und in Deutschland etwas später, im 19. Jahrhundert. Heute heißen die Erfinder Entwickler und so einer wurde bei Francotyp gesucht. Da habe ich mich beworben. Zu dieser Zeit habe ich bei einem Patentanwalt gearbeitet und ich wollte wegen der langen Arbeitstage dort gerne etwas anderes machen.



Und in Ihrem Bewerbungsgespräch haben Sie damals dann auch gepokert?

Naja, dass man für den Beruf englisch können muss, ist klar. Aber ich habe behauptet, ich könne auch russisch – das hat natürlich jeder geglaubt, ich kam ja aus der DDR – und auch französisch, dabei hatte ich das bloß ein kleines bisschen an der Abendschule. Aber dann ging es um technische Dinge. Und da wusste ich ausnahmsweise sehr gut Bescheid – ich hatte mich ja eigentlich als Entwickler beworben, denn ich wollte weg von dem ganzen Papierkram. Aber es wurde eben auch jemand für die Patentarbeit gebraucht und so haben die mich eingestellt. Den schönen Entwicklerposten hat ein anderer bekommen. Ich konnte eben Sachen berichten, die wussten die selber nicht, beispielsweise was das Unternehmen so alles besitzt an Patenten. Das war damals schon eine Menge.

Und mittlerweile sind es zweieinhalbtausend Patente. Als ich im Unternehmen anfing, war hier ein Berg von unbearbeiteten Ideen. Und bei jeder Idee musste geprüft werden, ob die es wert ist, angemeldet zu werden. Zu diesem Ideenberg kam fortlaufend etwas Neues hinzu dazu, so dass wir ihn erst um die Jahrtausendwende abgearbeitet hatten. Und seitdem sind wir nun tagesaktuell. Erste Priorität hat dabei immer alles abzusichern, wir müssen also ein Patent auf alles haben und das dann aufrechterhalten, so lange es nötig ist. Wenn etwas überholt wurde, lassen wir es fallen und melden wieder etwas Neues an.


Ein Patent auf alles haben – kommt so die stolze Zahl von zweieinhalbtausend Patenten zustande?

Nun, FP ist eben schon sehr lange da, wir gehen immerhin auf den hundertsten Geburtstag zu. Und bevor ich ins Unternehmen kam, gab es einen Patentassessor, der im Rahmen von Prüfverfahren immer nur schrieb, er würde vorschlagen, dem Prüfer zu folgen. Auf diese Art und Weise bekommt man aber nie ein Patent, weil Prüfer sicherheitshalber immer sagen: Wenn Sie nicht das Gegenteil beweisen können, dann ist das kein Patent. Wenn ich also jedes Mal dem Prüfer folge, dann wird das nichts, ich muss mich schon mit seinen Argumenten auseinandersetzen, um Erfolg zu haben. Das habe ich dann gemacht. Außerdem hatten wir vor den Nuller-Jahren einmal eine großzügige Prämierungsregelung, die das schöpferische Schaffen sehr stimuliert hat. Mittlerweile aber haben wir so viele Patente, dass wir bei der Prämie ein bisschen zurückstehen müssen und eine neue Regelung für Ideen eingeführt haben, wo wir genau hinschauen, was es denn nun für ein Patent ist, es ist ja nicht alles gleich wertvoll. Es gibt Prinziperfindungen, außerdem Weiterentwicklungen, und als dritte Kategorie die Erweiterungen. Wenn beispielsweise ein Bleistift einen Radiergummi hinten dran bekommt, damit man mit dem Bleistift auch radieren kann, dann könnte man das als Erweiterung anmelden, wenn es weltneu wäre. Aber das gibt es ja schon.


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Ralf Kubatzki -  Patentassessor bei FP und Jan Schrick, Patentingenieur und Syndikus-Rechtsanwalt

Haben Sie denn zusätzlich zu den eigenen auch die Patente der Wettbewerber im Auge?

Natürlich, das ist eine sehr wichtige Aufgabe: Ich verfolge auch die Erfindungen anderer Unternehmen. Und gegebenenfalls spreche ich mich mit unseren Entwicklern ab, ob und wann wir irgendwo wegen einer Schutzrechtsverletzung aktiv werden müssen. Es kann ja sein, dass ein Patentamt dem Wettbewerber ein Patent zu Unrecht erteilt und dann muss man Einspruch einlegen und beweisen, warum das der Fall ist.


Und von den zweieinhalbtausend Patenten von FP sind wohl die meisten aus der Kategorie der Erweiterungen?

Ja, Prinziperfindungen sind selten, die gibt es vielleicht alle 50 Jahre einmal, meistens entwickelt man etwas Bestehendes weiter. Als ich vor 26 Jahren im Unternehmen anfing, hatten wir gerade die erste elektronische Frankiermaschine, das war die EFS von Francotyp. Die Schwesterfirma Postalia, die damals in Offenbach saß, hatte parallel die NEF, die neue elektronische Frankiermaschine, entwickelt, gewissermaßen das Gleiche, die unterschieden sich nur in Details – also keine Prinziperfindung. Dann wurden die Unternehmen zusammengelegt und die EFS kam in den Handel. Die konnte 12.000 Briefe pro Stunde verarbeiten, das war schon ganz schön schnell. Allerdings gibt es in Deutschland gar nicht so viele Großbetriebe, die so viele Briefe verarbeiten müssen. Wir haben bei uns ja mehr mittelständische Unternehmen und die brauchen eigentlich eine kleinere Maschine, deshalb bekam unsere EFS einen Mikroprozessor für die elektroni-sche Steuerung. Aber es wurde zunächst noch mit der Druckwalze gedruckt. Mittlerwei-le wird das berührungslos gemacht, mit Tintenstrahl. Der Druckkopf berührt den Brief gar nicht mehr. So wollen es die Kunden.

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Ralf Kubatzki -  Patentassessor bei FP

Der Kundenwunsch ist also maßgeblich?

Natürlich. Sehen Sie, wir haben heute ein Touch Screen Display zur Bedienung von Frankiermaschinen, wie bei einem Handy. Zuvor hatten wir Tasten, wie bei einer Fernbedienung. Und damit geht es natürlich auch, man braucht nicht unbedingt einen Touch Screen. Aber der Kunde möchte ihn eben, weil er das vom Smartphone so gewohnt ist, weil sich das intuitiv bedienen lässt. Ist also durchaus naheliegend, so ein Display, hat aber noch keiner vorher gemacht. Wir waren bei Frankiermaschinen die ersten. Und sicher wird es auch in Zukunft so sein, dass es viele Patente der kleineren Sorte geben wird, um den Kunden Gefallen zu tun. Denn das sind ja die Leute, die mit den Maschinen arbeiten müssen, also wollen wir auch gerne deren Wünsche erfüllen.


Gehen Sie mit so einem Kundenwunsch auch manchmal an die Entwickler heran, damit die sich dazu etwas einfallen lassen?

Ich frage schon ab zu nach, was die noch so alles im Papierkorb haben und was ich vielleicht anmelden könnte – die haben ja andauernd Ideen und dann wird das wieder verworfen, obwohl immer wieder wirklich brauchbare Sachen darunter sind! Man muss da schon ein bisschen hinterher sein, die Erfinder rücken nicht immer gleich raus mit allem. Außerdem sind sie oft schon wieder einen Schritt weiter mit ihren Ideen und überlegen sich immer wieder etwas anderes. Dabei vergessen sie dann, was sie vorher entwickelt hatten. Ich muss die Leute also immer daran erinnern, dass sie alles aufschreiben.


Diskutieren Sie die entstandenen Ideen untereinander?

Na, das ist ja gerade das Schöne, wenn man in einer Firma arbeitet! Man hat da den Erfinder sitzen und kann ihn ständig mit Fragen belästigen. Diese enge Zusammenarbeit ist wichtig, manchmal entwickeln sich daraus richtig schöpferische Diskussionen. Und die bringen dann nicht nur mich bei der Anmeldung eines Patentes weiter, sondern den Erfinder selbst auch. Der versteht dann vielleicht plötzlich seine eigene Erfindung viel besser. Denn man muss eine Idee auch in entsprechende Worte fassen und sich ganz klar ausdrücken können, damit die Prüfer in einem Verfahren alles genau verstehen.


Sprachliche Präzision spielt also beim Erfinden eine Rolle?

Für die Präzision bin letztlich ich zuständig. Wir haben hier Entwickler, die sprechen den ganzen Tag über kein Wort, Programmierer beispielsweise. Wenn die sagen sollen, was sie da genau programmiert haben, dann können die das manchmal gar nicht so richtig auszudrücken. Die können vielleicht eine technische Zeichnung machen oder einen Programmcode hinschreiben, lauter Einsen, lauter Nullen. Und das ist ja auch deren Aufgabe. Aber klar und deutlich beschreiben können sie es unter Umständen nicht.


Ist das vielleicht auch eine Generationenfrage?

Ach, wir haben so viele tolle junge Leute hier bei FP, mit lauter frischen Ideen. Die sind so Anfang 30 und denken einfach anders, viel schneller. Und das muss sich dann eben mit Erfahrung paaren und auch mit einem guten Projektleiter, die gesunde Mischung macht es. Erfahrung selbst ist aber kein Verdienst. Die wächst einem eben so zu, dafür kann man gar nichts. Gucken Sie, ich werde jedes Jahr ein Jahr älter und da kommt die Erfahrung halt so zusammen. Aber das kann man sich nun wirklich nicht anrechnen lassen, das passiert von ganz allein.

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Ralf Kubatzki -  Patentassessor bei FP und Jan Schrick, Patentingenieur und Syndikus-Rechtsanwalt
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Verabschiedung von Ralf Kubatzki